Der Patient

Eine Konferenz über die doppelte Staatsbürgerschaft der Krankheit

60% Theorie
30% Vortrag
10% Kunst & Politik
Krankheit wuchert innerlich oder sie ist eine Invasion von außen. Sie ist ein Zustand des anderen, des Unverstandenen, eine Parallelwelt mitten im Leben. Und auch wenn die Welt der Gesunden und die Welt der Kranken grundsätzlich voneinander getrennt sind, sind wir doch Teil von beiden.
Krankheit wird erlitten, ignoriert, administriert, bebildert und idealisiert. Sie dient als Zeichen und Metapher: die Dichterkrankheit Tuberkulose, die den Körper transparent macht, Krebs, Aids und neuerdings Demenz als Synonym für das Verdrängen von Naziverbrechen einer Generation. Es bleibt die Frage, welche Krankheiten die Gesellschaft erst erzeugt, welche sie benennt, erkennt, welche in die Sprachlosigkeit verdrängt werden. Und welche Normalität, welche Gesundheit (in hygienefetischistischen Zeiten) ist gefordert, wenn Rauchen, Essen, Trinken plötzlich nicht mehr zum Menschenbild passen?
Krankheit ist ein Begriff, um einen Zustand der Normabweichung zu bezeichnen; und was die Norm ist, unterliegt Moden und Notwendigkeiten. Wie verändert sich also der Krankheitsbegriff mit der Transformation der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft? Und wie verhält sich die Definition von Krankheit zur jeweilig gesellschaftlich propagierten Definition des Fremden?
Traditionell ist für die Umwertung von Krankheit, für die positive Besetzung der Zersetzung, des Morbiden und Abweichenden, die Kunst zuständig. Doch heute ist der Künstler nicht mehr Außenseiter der Gesellschaft, er ist als neoliberales Subjekt zum Leitmodell integriert – und damit hat die Krankheit ihren leidenschaftlichen Fürsprecher verloren. Das subversive Potenzial des Kranken ist verschwunden. Wer sind wir als Patient?

Die Konferenz im Rahmen des steirischen herbst 2011 bringt Theoretiker und Praktiker des Umgangs mit Krankheit zusammen, um der Frage nachzugehen, welche Rolle Krankheit als permanent präsente zweite Welt inmitten der ersten heute spielt, als Realität, als Metapher, als Entwicklungslinie und als Lebens- und Möglichkeitsform.

Sa 01/10
Wer sind wir als Patient?
11.00 Eröffnung und Tischgespräche mit Barbara Duden, Gustav Mittelbach, Rainer Possert & Bernd Kräftner

Riskante Abhängigkeiten: Arzt und Patient
11.30 Barbara Duden: „Disparate Welten. Vom Abgrund zwischen Patientenerzählungen und Diagnose“
12.00 Josef Smolle: „Kompetenz und Fragmentierung. Das Krankenhaus zwischen Möglichkeit und Zweck“
12.30 Christian Fazekas:„Der Patient als Partner. Gesprächsführung und Partizipation in der medizinischen Ausbildung“
13.15 Mittagspause
15.00 Podiumsgespräch mit Barbara Duden, Christian Fazekas & Céline Kaiser

Die Kündigung des Tauschprinzips: Pflege und Sorge
15.45 Harald Haynert: „Ethik als nicht exklusiver Schutzbereich. Über Pflege, Anerkennung und Bedüftigkeit“
16.15 Podiumsgespräch mit Karl Harnoncourt, Harald Haynert, Gustav Mittelbach & Rainer Possert
17.00 Tischgespräche mit Harald Haynert, Céline Kaiser & Eveline Kerecz Aya Ben Ron: „Shift“ (Film)
17.30 Hermes Phettberg im Gespräch mit Claus Philipp: „Krankheit als Haltung“


So 02/10
Spekulatives Wissen: Künstler und Krankheit
11.00 Marcus Coates: „The Trip“ (Film)
11.30 Daniel Tyradellis: „Fachchinesisch und Liebesgeflüster. Zur Professionalisierung des Kranken“
12.00 Bernd Kräftner: „Das Syndrom als Schiff. Ein künstlerisches Diagnosedispositiv“
12.30 Céline Kaiser: „Therapie-Szenen. Fallgeschichten der Theatertherapie“
13.00 Florian Riegel: „Holding Still“ (Film)
13.30 Abschlussgespräch


Detailiertes Programm »hier


  Der Patient: Eine Konferenz über die doppelte Staatsbürgerschaft der Krankheit    


Kuratiert von Hannah Hurtzig (D) & Florian Malzacher (A/D)

Mit
Barbara Duden (D), Soziologin und Medizinhistorikerin Universität Hannover; Christian Fazekas (A), stellvertr. Leiter Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie Graz; Karl Harnoncourt (A), Obmann Steirischer Hospizverein; Harald Haynert (D), Pflegewissenschaftler Universität Witten-Herdecke; Céline Kaiser (D), Medienwissenschaftlerin Universität Bonn; Evelyne Kerezc (A), Stationsleitung Memory, Albert Schweitzer Klinik Graz; Bernd Kräftner (A), Arzt und Kulturwissenschaftler; Gustav Mittelbach (A), Sozialmedizinisches Zentrum Liebenau/Graz; Hermes Phettberg (A), Schauspieler, Autor und Patient; Claus Phiipp (A), Leiter Stadtkino Wien; Rainer Possert (A), Sozialmedizinisches Zentrum Liebenau/Graz; Florian Riegel (D), Filmemacher; Josef Smolle (A), Rektor Medizinische Universität Graz; Dr. phil. Daniel Tyradellis (D), Philosoph und Kurator.

Daten und Fakten

Sa 01/10, 11.00 - 18.00 &
So 02/10, 11.00 - 13.00


"Der Patient" auf Radio Helsinki 92,6 MHz – Freies Radio Graz
am 23, 24, 25 & 26/01/2012
jeweils 12.00 - 13.00

• 23/01/2012: Vorträge von Barbara Duden und Christian Fazekas
• 24/01/2012: Podiumsgespräche der herbst-Konferenz
• 25/01/2012: Vorträge von Josef Smolle und Daniel Tyradellis
• 26/01/2012: Vorträge von Bernd Kräftner und Céline Kaiser

Livestream der Sendungen auf: helsinki.at
Zum Nachhören und als Download: CBA - Cultural Broadcasting Archive




Krankenhaus der Barmherzigen Brüder

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