Kronen Zeitung - 07.10.2011

Machtstrukturen und ein Manifest

Grazer Kunstverein : "herbst"-Ausstellung und Annenviertel-Manifest



Mit Fragen der Machtverteilung befasst sich der Kunstverein <rotor> (Volksgartenstraße 6a) in seiner aktuellen "herbst"-Ausstellung "abgehoben". Um Grundbedürfnisse geht es hingegen im "Annenviertel-Manifest", das als permanente Installation im Grazer Metahofpark eingerichtet wurde.

Das Manifest der Annenviertel-Aktivistinnen wurde permanent im Grazer Metahofpark installiert

Eine überdimensionale Falle von Elvedin Klačar in "abgehoben"

Als Grundlage für das Manifest dienen kurze Texte, die von den am mehrjährigen Projekt "Annenviertel" beteiligten Frauen verfasst worden sind. Darin geht es um Arbeit beziehungsweise um fehlende Arbeitsmöglichkeiten, um Erfahrungen mit Integration, aber auch um Vorurteile und Ablehnung. Die Idee zu diesem Unterfangen hatte die Künstlerin Isa Rosenberger, gemeinsam mit Marianna Asatrjan, Anja Ditchokvskaya, Endah Ebner, Rosemary Emiohe, Merhanisa Huskic, Marisol Kahrrillo und Jamileh Pahlevan wurde es in die Tat umgesetzt.

Im Rahmen des "steirischen herbst" setzen sich Margarethe Makovec und Anton Lederer mit den Parallelsystemen der Macht auseinander und bereichern das Generalthema "Zweite Welten" um eine weitere Facette. In einer Reihe hochkarätiger Arbeiten werden politische, wirtschaftliche oder mediale Machtstrukturen erforscht, auch intellektuelle Eliten und religiöse Interessen stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Gleich im ersten Raum entlarvt das Grazer Künstlerduo G.R.A.M. mit seinen Reenactments von Zeitungsbildern das öffentliche Auftreten der internationalen Finanzjongleure als reine Imagepflege, gefüttert durch wohleinstudierte Posen.

Ein Video von Libia Castro & Ólafur Ólafsson spielt humorvoll mit den Praktiken der Lobbyisten; die Freimaurer hat Angela Dorrer im Visier. Ein interessantes Diagramm in Form eines U-Bahn-Plans, das die Verbindungen von ultrakonservativen, deutschnationalen bis hin zu rechtsradikalen Gruppierungen in Graz aufzeigt, stammt von den Mitarbeitern des Projekts "Pragmatische Sanktion"; und Josef Schützenhöfer porträtiert in seinem Bild "Austriaski Hoch Kulturny" das Sammler-Ehepaar Essl als Repräsentanten der Hochkultur in Österreich.

Eine interessante Ausstellung, die einmal mehr zeigt, dass Künstler durchaus wissen, welche Machtstrukturen das Gefüge zusammenhalten, und sich nicht scheuen, auch die Ausstellungsbesucher daran zu erinnern.


Michaela Reichart
wukonig.com