Kurier - 23.09.2011

Die fremden Welten liegen näher, als man denkt



   Daran gibt es nur ein Problem: Es gibt nicht nur diese eine Welt, in der man zu leben glaubt. Sondern auch noch ganz viele andere. Und mit diesen "Zweiten Welten" beschäftigt sich der heute, Freitag, startende Steirische Herbst in Graz.

   Theorie

   Das Avantgarde-Festival (bis 16. 10.) macht sich mit den Mitteln der Kunst auf die Suche nach jenen Parallelwelten, die derzeit in Politik, Wirtschaft, Kultur wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen. Intendantin Veronica Kaup-Hasler fragt im KURIER-Gespräch: "Warum sind heute plötzlich Dinge wichtig, von denen wir vor einigen Jahren noch gar nichts gehört haben?"

   Rating-Agenturen, etwa, die nur ein "A" wegzunehmen brauchen und dadurch Wirtschaftssysteme ins Wanken bringen. Oder die "Parallelwelt jenseits demokratischer Grundvereinbarungen", als die sich die Politik derzeit darstellt: "Korruption und Machtmissbrauch - immer wieder müssen wir erfahren, dass politisch Verantwortliche das Wesen von Demokratie nicht begriffen haben", sagt die Intendantin.

   Das Festival will zeigen: "Wenn wir den Blick etwas anders fokussieren, dann sieht man, dass es sehr wohl alternative Welten gibt oder geben kann."

   Praxis

   Dafür stellt der Steirische Herbst u. a. einen eigenen, von der Künstlerin Maru¨a Sagadin gestalteten Festival-Distrikt in die Grazer Mariahilfer Straße: eine abgeschlossene Kunst-Community, die mit Leuchtschriften auf sich aufmerksam macht. "Sie markiert ein Terrain, ein Städtchen in der Stadt, mit Hang zum Größeren. Wir haben alles, was eine klassische Western-Stadt braucht: ein Hotel, einen Laden, Wirtschaften, eine Bar, einen Club, ein Kino", schildert Kaup-Hasler.

   Die heutige Eröffnung in der Helmut-List-Halle bestreitet Anne Teresa De Keersmaeker mit "Cesena". Die "Herbst"-Ausstellung "Zweite Welt" wird vom kroatischen Kollektiv WHW gestaltet. Im weiteren Programm zu entdecken gibt es u. a. : Das Theater im Bahnhof mit "Time to get ready for love", individuelles Kunsterleben im "Hotelzimmer 113", eine Konferenz über den Umgang mit Krankheit, einen Audiowalk durch ein "Graz gigantischer Grandiosität" und "Die blauen Augen von Terence Hill". Und bei "Gólgota Picnic" (im Orpheum) sitzt Pianist Marino Formenti nackt hinter dem Klavier.

Georg Leyrer
wukonig.com