Wiener Zeitung - 28.09.2011

Der warmen Herbstsonne entgegen getanzt



Ein zweistündiger Sonnenzyklus eröffnete am Wochenende in Graz die 43. Festivalausgabe des steirischen herbstes. Anne Teresa de Keersmaeker und Björn Schmelzer zeigten "Cesena". Die belgische Choreographin De Keersmaeker ließ zu Beginn ihres Tanzwerks die Performer ihres Ensembles Rosas und die Sänger der Vokal-Formation Graindelavoix nahezu eine Stunde lang im Dunklen tappen. Eine Herausforderung für das Publikum, eine zu große für eine Reihe Kunstinteressierter, die nach der Halbzeit den Saal verließen.

Ein Ring aus weißem Sand auf dem Bühnenboden bildet für die singenden Tänzer und tanzenden Sänger das Zentrum des Stückes. Am Ende ist die Kontur des Ringes durch das Durchlaufen und Tanzen verwischt und es entsteht eine neue Form. Schritt für Schritt werden die 19 Künstler, wie auch die Zuschauer, aus der Dunkelheit entlassen. Erst nach fast zwei Stunden ist die Bühne taghell.

De Keersmaeker ließ das Stück zum ersten Mal in einem geschlossenen Raum aufführen – die Uraufführung fand im Juli in Avignon unter freiem Himmel statt. Die gesangliche Untermalung stieß ausschließlich auf Begeisterung: Die ars subtilior, eine musikalische Stilepoche aus dem 14. Jahrhundert, stand sowohl in Kontrast als auch in vollkommener Harmonie mit der Palette an farbigen Sportschuhen der Tänzer und Sänger. Diese standen in einem ständigem Dialog, der schließlich in völliger Synchronisation gipfelte.

Die Eröffnung des diesjährigen steirischen herbstes zeichnete sich durch Kunst auf höchstem Niveau, wenn auch nicht unbedingt massentauglich, aus.


Martina Pock
wukonig.com