Kronen Zeitung - 07.10.2011

Schönheit und Kraft der Stille



Beim "steirischen herbst" habe ich neulich 18 Euro für Eintritt bezahlt. Streng genommen für nichts, weil mich das Nichts fast am meisten fasziniert hat. Selten war Geld so gut angelegt. Mit Nichts meine ich freilich nicht nichts. Sondern die Pausen zwischen den Sätzen des Klavierkonzerts. Ich meine Stille.

In vollkommener Lautlosigkeit schwang die tiefe Schönheit des soeben Gespielten noch nach, wühlte und wirkte und wollte bleiben - zugleich sammelte sich die Kraft und Achtsamkeit zum nächsten Triumph der Musik. Dieses Dazwischen war derart intensiv, dass ich kaum atmen hab' können; so mächtig war es und sanft, so beklemmend wie weit. Hansi Orsolic, der Boxer, nennt solche Erfahrungen: "A Wahnsinn normal!"

In unsrer Krach- und Quatsch- und Plärr-Zivilisation kann man die Mächtigkeit der Stille nicht mehr erleben, ihre Kraft und Herrlichkeit. Noch die vielen Arten von Stille. Naja, dafür haben wir Burnout, Psychopharmaka und Aggressivität im Alltag.

Auf der Bühne nahm Mario Formatti nach jedem Satz von Haydns "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz" seine Hände langsam und sachte von den Tasten des Bösendorfers und ließ "es" über uns kommen und werden. Hinter ihm lagerten Schauspieler, die zuvor "Golgota Picnic" gespielt hatten. Gute Truppe, gutes Stück, gute Texte, gute Regie. Dagegen hatten ein paar Esel demonstriert.

Aber das zählt nicht im Vergleich zur Stille, die ich da erlebt hab'.

Mathias Grilj
wukonig.com