Kronen Zeitung - 26.09.2011

Lebenslieder - ganz ohne Musik

Ed. Hauswirth in "Time to get ready for love" beim "herbst".



Auf der Bühne des Orpheums: Vier Zirka-Vierziger in Anzügen aus einem glänzenden Stoff, in den sich sonst nur schmierige TV-Moderatoren hüllen. Nacheinander gehen Rupert Lehofer, Ed. Hauswirth, Jacob Banigan und Lorenz Kabas an die Rampe und tragen ein "bestes Lied" für diverse Lebenslagen vor: Jacques Brels "Vesoul" etwa, als ideales Lied, um sich in die Stimmung zum Schlussmachen zu bringen, Funny van Dannens "Saufen" als typisches Lied für "den Europäer", Joe Strummers "Silver and Gold" als perfekte Art, stilvoll den 50. zu begehen. Der Kunstkniff: Das Publikum bekommt die Musik nicht zu hören, nur die Sprecher haben einen Kopfhörer, um den Text synchron, aber unmelodiös nüchtern vortragen zu können.

   Der Verfremdungseffekt erzielt verblüffende Wirkungen. Die 60er-Jahre-Frauenfeindlichkeit von Burt Bacherachs "Wives and Lovers" wird unbarmherzig freigelegt, Juliette Grecos "Deshabillez moi" verliert seine laszive Souveränität und verkleinert sich zur reinen Geste der Unterwerfung, der Witz von "Dance, Motherfucker, Dance!" der "Violent Femmes" wird kräftig gedoppelt.

   Es ist eine strenge Arbeit, deren eine, grundlegende Idee ein schönes Kunstvideo hergäbe, die aber auch einen Theaterabend trägt. Natürlich entstehen einige komische Momente, aber der Humor tritt schließlich in den Hintergrund. Hauptsache ist eine Erzählung darüber, wie Popsongs uns begleiten und Spuren im Leben hinterlassen; wie man sich individuelle Hit-Listen zusammenstellt, um seinem komplizierten Dasein ein bisschen Ordnung und Orientierung zu geben. Ein berührender Abend mit vier großen Buben.

Martin Gasser
wukonig.com