Der Standard - 04.10.2011

"Allein ist man nicht so gut, wie man glaubt"

Gerhild Steinbuch, Jörg Albrecht und Johannes Schrettle gehen neue Wege der Dramatik gerne im Team



Es ist immer das Gleiche. Der Autor schreibt sein Stück, der Regisseur kapiert es nicht, die Schauspieler sind zu schlecht. In Österreich wurde dieser Prozess spätestens mit Thomas Bernhard gut geübt. Nach der Autoindustrie hat inzwischen auch die Kunst begriffen, dass es Vorteile bringt, arbeitsteilige Prozesse in Teamstrukturen zu bündeln. Mit Aufträgen an Jörg Albrecht, Johannes Schrettle und Gerhild Steinbuch rückt der Steirische Herbst drei Autoren ins Rampenlicht, die eng mit Graz verbunden sind und in der dramatischen Arbeit neue Wege gehen. Chronologie wie Hierarchie der Arbeitsschritte werden gebrochen, der Autor begleitet die Umsetzung, das Stück wächst durch alle Beteiligten.

"Es gibt keine fixierte Autorenposition", sagt Johannes Schrettle, der die Arbeit Wie wir es tun sollten gemeinsam mit seiner Gruppe Zweite Liga für Kunst und Kultur entwickelt: "Wir nähern uns einem Thema und gehen dann in verschiedene Richtungen, die Text, Szenisches, Bühne etc. beinhalten." Gerhild Steinbuch, die sich für die Produktion Am schönsten ist das was bereits verschwunden ist u. a. mit Theatermacherin Julie Pfleiderer zusammengetan hat, mag Teamarbeit: "Mich interessiert es nicht, ein Stück am Schreibtisch fertig zu machen, um es dann jemandem anderen zu geben, der es inszeniert. Am besten ist es, mit einer Idee zu kommen und dann gemeinsam daran zu bauen." Steinbuch bringt die kollektive Autorenschaft auf den Punkt: "Man ist einfach allein nicht so gut, wie man glaubt."

Schrettle, Steinbuch und Albrecht durften schon früh ihre Erfahrungen mit den Gepflogenheiten an traditionellen Stadttheatern machen. Die Entscheidung für ihre offszenetypische Arbeitsweise ist eine bewusste. Wenn auch budgetär betrachtet nicht leicht, wie Jörg Albrecht betont. Für Die blauen Augen von Terence Hill kooperiert er mit seinem Theaterkollektiv copy & waste: "Was diese Ar-beit von unseren bisherigen unterscheidet, sind die Produktionsbedingungen: dass wir mit dem Steirischen Herbst ein großes Kunstfestival als Partner haben, mit dem Hebbel am Ufer das größte freie Theater in Berlin und mit dem Theater in Jena auch ein Stadttheater und sehr gute öffentliche Förderungen."

Damit wären wir schon beim Thema von Die blauen Augen von Terence Hill: "Arbeit und wie sie uns zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft macht", sagt Albrecht. "Wieso bewerten wir uns selbst und andere so sehr danach, was unsere Arbeit ist? Und was gesteht man denen zu, die nicht arbeiten können oder wollen? Kommen wir je wieder davon weg, nur glücklich zu sein, wenn wir arbeiten?"

Mit Bud Spencer und Terence Hill greifen copy & waste dafür auf zwei Antihelden ihrer TV-Kindheit zurück, die blauäugig versuchen, mit vier Fäusten gegen die neoliberale Architektur unserer Gesellschaft anzukämpfen. Und, ja - es gibt Schlägereien auf der Bühne. Im gesellschaftspolitischen Diskurs übt sich auch die Zweite Liga für Kunst und Kultur, wenn auch aus einer eher subjektiven Perspektive. Wie wir es tun sollten sucht nach den zahllosen moralischen und weniger moralischen Imperativen der Gegenwart. Schrettle: "Unser Ausgangspunkt ist die Frage, was für Regelsystemen wir folgen und ob sich daraus vielleicht so etwas wie versteckte Glaubenssysteme ableiten lassen, eine Auseinandersetzung mit dem Thema Religion also."

Im Spannungsfeld zwischen Subjektivität und Allgemeinheit positioniert sich auch die Arbeit von Steinbuch und Pfleiderer. Sie verbindet einen Audiowalk durch Graz mit einer performativen Installation. "Ein Teil der Arbeit", so Steinbuch, "beschäftigt sich mit der Wahrnehmung der Stadt, ein Teil mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers." Das ist mit einer sehr persönlichen Frage überschrieben: "Muss ich verschwinden, um sichtbar zu werden?" Es geht um Selbstinszenierung. Da spielt auch das Publikum Regie.

Hermann Götz
wukonig.com