Salzburger Nachrichten - 27.09.2011

Doch kein Besucher im Zimmer 113

"herbst": Eine belebte Kreativmeile und Neues vom Theater im Bahnhof



Nördlich des Grazer Kunsthauses hat sich seit einigen Jahren urbanes Flair ausgebreitet: coole Shops, Lokale, Friseure, Secondhand-Läden und noch einiges mehr. In dieser Vorzeige-Kreativmeile setzt die Künstlerin Marusa Sagadin im "steirischen herbst" Synergien frei: In bestehenden oder zum Leben erweckten Räumen wurde ein vitaler "Festivaldistrikt" geschaffen, der sich schon am Eröffnungswochenende bewährt hat. Bar, Hotel, Laden, Kino oder Club: In der Mariahilferstraße trifft das Festival endlich wieder auf Laufkundschaft, was dem zuletzt etwas an kunstbetrieblicher Hermetik leidenden Festival guttut. Im Hotel des Distrikts ist ein Zimmer, jenes mit der Nummer 113, für Interventionen reserviert. Den Auftakt machte eine Klanginstallation des finnischen Künstlers Hans Rosenström. Allein im Hotelzimmer mit einem Kopfhörer: Die akustisch aufgebaute Erwartungshaltung eines Besuchs wird nicht eingelöst. Eine interessante Selbsterfahrung. Unweit des Distrikts, im Grazer Orpheum, lud das Theater im Bahnhof zur Songperformance "Time to get ready for love". Vier Männer und eine dramaturgische Idee: Liedtexte zu selbst gewählten Themen vortragen. Wie weiland Gedichte aufsagen in der Schule. Bloß mit mehr Sentiment und rhetorischem Geschick. In der Regie von Robin Arthur referiert das Quartett Texte von Bacherach, Queen bis Dolly Parton, dekonstruiert so Rock- & Popillusionen. Und setzt – kombiniert mit subjektiven Erinnerungen auf der Bühne sowie im Zuschauerraum – (große) Gefühle frei. Wer braucht da noch Musik?

Martin Behr
wukonig.com