Kleine Zeitung - 16.10.2011

Beyoncé beim herbst?



Soll noch einer sagen, der "steirische herbst" sei nicht international vernetzt! Anne Teresa De Keersmaeker musste sich kürzlich über Ähnlichkeiten zwischen ihren Choreographien und Tanzszenen im Video "Countdown" von Beyoncé wundern. Der US-Star gestand der Flamin, die zum herbst-Auftakt ihre Produktion "Cesena" zeigte: Ja, sie habe sich "inspirieren" lassen, aber schließlich sei der von Millionen Fans gesehene Clip auch Werbung für Keersmaeker.

Tanzt also im herbst 2012 Beyoncé an? Oder verpflichtet man die Souldiva als PR-Beraterin? Muss nicht sein. Intendantin Veronica Kaup-Hasler setzte wieder auf spannende Auslotungen des Theaterbegriffs, auf Performances auch abseits des menschlichen Körpers, Scheitern inklusive. Der opulente Christuskracher "Gólgota Picnic" wurde nicht wie erhofft/befürchtet zum Skandal. Zwischendurch würde man sich jedoch Bühnenereignisse mit echter Aufsehen-Erregung wünschen.

Das musikprotokoll erweiterte sein Labor zwar um ein 360-Grad-Kino, aber auch hier schwankte das Niveau – mit erfreulichen Ausreißern nach oben wie Agata Zubel. Und, wie man aus einschlägigeren Sparten weiß: Strenge Kammer und Sinnlichkeit, das geht oft schlecht zusammen.

Am Angebot an bildender Kunst ist wenig zu bemängeln. Das ist zugleich die gute und die schlechte Botschaft. Die Ausstellungen von "Zweite Welt" bis "Irrealigious!" waren qualitätsvoll, aber oft auch austauschbar. Keine hatte ein so unverwechselbares Profil, dass man sich dessen noch im Herbst 2012 wird erinnern (müssen). Vielleicht sollte man es wieder einmal ganz altmodisch mit einer großen Personale versuchen?

Ein echter Trumpf: der Festivaldistrikt, der die Stadt enterte, und die herbst-Fremdlinge, die wie nebenbei die Großstadt im Dorf Graz enterten. Wie sich Kulturmenschen mit Wirtshausbesuchern und Lend-Urgesteinen mischten, war schön zu sehen und bereicherte die sonst viel zu häufige Parallelwelt Kunstszene. Höhepunkt: das Zimmer 113, in dem man im intimen Setting Performances auf höchstem Niveau erleben durfte. Schade nur, dass der Distrikt ohnehin ein belebter ist. Wie hätte der herbst erst in Graz-Gries einfallen können!


DIE KULTURREDAKTION
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