Kronen Zeitung - 15.10.2011

Vom Überschreiten der Grenzen

"steirischer herbst" zeigt Produktionen von Crew sowie Jan Ritsema & Kollegen



Ausflüge in sehr fremde Welten bieten beide "herbst"-Produktionen - wenn auch auf höchst unterschiedliche Art. Nimmt man bei "Terra Nova" von Crew im Grazer MUMUTH an einem Science-Fiction-Trip teil, so kann man bei Jan Ritsema & Kollegen der Geburt einer Performance beiwohnen.

"Shakespeare's As You Like It, A Body Part" lautet der Arbeitstitel, den Jan Ritsema und 18 seiner internationalen Kollegen aus dem Choreografie- und Performance-Bereich - alle mit einer ansehnlichen Biografie - ihrem "Work in Progress" gaben. Im Grazer Dom im Berg kann man höchst unterschiedliche kurze Sequenzen, die einen Blick in die jeweilige Arbeitsweise des bestimmenden Parts gewähren, erleben. Da wird diskutiert, ausprobiert, getanzt, philosophiert, gedreht, aufgenommen oder entspannt, was in einzelnen Episoden durchaus lustig ist. Ein großes Ganzes will und soll daraus freilich nicht werden, da rühren einfach zu viele Köche im heißen Brei. Ein interessanter Einblick in die verschiedenen Arbeitsweisen und in das Entstehen einer Produktion ist es aber allemal - nur etwas kürzer hätte er ausfallen dürfen.

Im Grazer MUMUTH lädt die belgische Truppe Crew heute noch drei Mal zu einer erstaunlichen Grenzerfahrung. Das Publikum wird mittels Videobrillen und Kopfhörern in einer Art Science Fiction-Labor mit Situationen konfrontiert, die mitunter für die eine oder andere kleine Panik-Attacke sorgen können: ob man nun erschossen und in einen Sarg gelegt wird, oder einem eine Ratte über die Hand klettert. Auch wenn man eigentlich weiß, dass nichts davon real ist, wirkt die Simulation sehr echt. Interessant ist außerdem die verfälsche Wahrnehmung, die man von Raum und Zeit bekommt, wenn man von Helfern durch den Saal bewegt wird. Diese psychische Grenzerfahrung kombiniert Crew mit Robert Scotts legendärer und tragisch endender Antarktis-Expedition - eine weitere imaginäre Reise, die man in dieser Produktion antritt.

Eric Joris, Chef von Crew, spielt hier nicht auf abstrakter Ebene mit den Ergebnissen der Gehirnforschung, er lässt sein Publikum sehr unmittelbar daran teilhaben. Obwohl eine ähnliche Technik zum Einsatz kommt, erlebt man hier Abenteuer, welche Erlebnis-Parks und Imax-Kinos ein wenig alt aussehen lassen. Spannend!

MICHAELA REICHART
wukonig.com